Für Pflanzenfreunde und Naturliebhaber ist der Botanische Garten in Jena ein Muss! Wo findet man sonst so nah am Stadtzentrum eine solch attraktive Oase? Raritäten bewundern, mit der Smartphone-App auf Entdeckung gehen oder einfach nur die grüne Abgeschiedenheit genießen – jeder bestimmt sein eigenes Tempo. Sogar Piranhas warten auf neugierige Besucher … Dr. Stefan Arndt (wissenschaftlicher Leiter) und Thomas Bopp (technischer Leiter) haben einige Tipps parat.
Jenas Botanischer Garten ist einer der ältesten in Deutschland und könnte sicher so manche interessante Geschichte erzählen. Worin besteht seine Besonderheit?
Unser Botanischer Garten ist tatsächlich der zweitälteste in Deutschland. Angelegt wurde er 1586 als „medizinischer Garten“ der Universität Jena, weil die damalige medizinische Fakultät frische Kräuter für ihre Lehre benötigte. Namhafte Wissenschaftler, wie Matthias Schleiden oder Eduard Strasburger, waren als Direktoren tätig. Heute finden Besucher etwa 12.000 Pflanzenarten auf dem 4,5 Hektar großen Gelände. Dass der Botanische Garten unmittelbar ans Stadtzentrum angrenzt, ist ideal. Nur wenige Minuten laufen – und es eröffnet sich eine wunderbare Oase botanischer Besonderheiten. Neben dem Alpinum mit rund 2000 Arten haben wir eine große Nutzpflanzenabteilung. Nicht zu vergessen die Gewächshäuser mit ihrer attraktiven tropischen und subtropischen Pflanzenwelt. Auch wer sich nicht speziell für Botanik interessiert, wird den entspannten Rundgang im Grünen genießen.
Die Natur entfaltet in jeder Jahreszeit ihren Reiz. Welche saisonalen Highlights empfehlen Sie den Gästen?
Im April und Mai sollten sie die Rhododendronblüte nicht verpassen, denn das ist einfach ein umwerfendes Farbspektakel. Im Juni faszinieren die Wildrosen mit ihren zarten Blüten und dem typischen leichten Duft. Anders als die Edelrosen blühen sie nur einmal im Jahr, sind aber eine wichtige Futterquelle für Insekten. Unsere Gewächshäuser sind natürlich das ganze Jahr über interessant. Sehenswert ist die bekannte Victoria-Riesenseerose, schon allein wegen ihrer bis zu zwei Meter großen runden Schwimmblätter. Wer Glück hat, erlebt zwischen Juli und September ihre eindrucksvollen Blüten, die jeweils nur zwei Nächte geöffnet sind.
Worauf können sich die Familien bei ihrem Besuch freuen? Kinder sind ja neugierig und erkundungsfreudig. Gibt es besondere Angebote?
Jedes Jahr am Ostersonntag laden wir Familien mit Kindern zum Ostereiersuchen ein. Das ist immer ein großes Ereignis, die Kinder sind begeistert. Sie freuen sich auch über die Tiere, die bei uns zu bestaunen sind. Prächtige tropische Schmetterlinge flattern von April bis September frei durchs Victoriahaus. Unter den großen Blättern der Seerosen schwimmen Piranhas. Im Sukkulentenhaus wohnen Echsen – sogenannte Bartagame. Außerdem haben wir tropische Zierfische, farbenfrohe Baumsteigerfrösche und freilaufende Zwergwachteln. Wussten Sie, dass in China Zwergwachteln früher in der Jackentasche mitgeführt wurden, um sich im Winter die Hände an ihnen zu wärmen?
Über das Smartphone lassen sich in zwei Gewächshäusern via QR-Code Audio-Führungen abrufen, in denen ältere Kinder und Jugendliche viel über die die Klimazonen und Pflanzenfamilien lernen können. Das ist auch für Schulklassen sehr interessant.
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Der über 200 Jahre alte Ginkgobaum aus der Goethe-Zeit, zählt zu den ältesten Ginkgos in Europa.
Überall in Thüringen trifft man auf Goethes Spuren, auch der Botanische Garten ist mit seinem Wirken verbunden. Was lässt sich davon heute noch entdecken?
Unübersehbar ist der große Ginkgo aus der Goethe-Zeit, der über 200 Jahre alt ist. Damit zählt der Baum zu den ältesten Ginkgos in Europa! Goethe stand damals im Dienst des Weimarer Herzogs Carl August und bekam den Auftrag, in Jena eine Botanische Anstalt einzurichten. So veranlasste er 1827 den Bau des Inspektorhauses, das heute die Goethe-Gedenkstätte beherbergt. Das Haus wird gerade saniert. Goethe befasste sich hier mit botanischen Studien und genoss die Ruhe abseits seiner administrativen Verpflichtungen. Eine weitere Spur seines Wirkens ist der „Goethegarten“. Er geht zurück auf die Systemanlage, die ab 1794 im Botanischen Garten entstand. Der damalige Direktor Batsch entwarf für diese Anlage eine neue Konzeption, um das System der Pflanzenverwandtschaften zu demonstrieren.
Der Botanische Garten gehört zur Friedrich-Schiller-Universität Jena. An welchen Themen forschen die Wissenschaftler? Spielen Klimaveränderungen und Artenschutz dabei eine Rolle?
Einerseits gibt es eine Professur für Biodiversität, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels und der veränderten Landnutzung auf die Pflanzen befasst. Dabei werden phänologische Daten wie Austrieb, Blüte oder Samenreife über lange Zeiträume erfasst. Auf diese Weise wollen die Wissenschaftler die Frage beantworten, warum einige Arten mehr als andere von den sich ändernden Temperaturbedingungen profitieren. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt ist die Systematische Botanik. Hier geht es um pflanzliche Ökotypen und ihre Anpassung an bestimmte Ackerstandorte, um die Verwandtschaft einzelner Artengruppen oder populationsgenetische Fragestellungen.
Die Corona-Epidemie hat unsere Aufmerksamkeit wieder auf die attraktiven innerdeutschen Reiseziele gelenkt und wir haben so manches Kleinod dabei entdeckt. War das im Botanischen Garten auch zu spüren?
Ja, vor allem im September und Oktober verzeichneten wir – im Vergleich zum Vorjahr – etwa 20 Prozent mehr Besucher. Dieser Zuspruch war sehr erfreulich für uns! In den Sommermonaten Juni bis August erreichten wir ungefähr die vorjährigen Besucherzahlen. Leider mussten einige Veranstaltungen, zum Beispiel die Pflanzenbörse, und auch Führungen ausfallen. Wir hoffen, dass wir in 2021 wieder unser volles Programm anbieten können.