Multitalent Rainald Grebe verbrachte seine Anfangsjahre als Schauspieler und Dramaturg am Theaterhaus in Jena. Heute sorgt er im Rahmen der Kulturarena selbst für ausverkaufte Karten und spielt vor tausenden von Menschen. Im Interview spricht er über diese Entwicklung, seine Zeit am Jenaer Theater und den Mythos, den dieses besondere Haus umgibt.
Liedermacher, Kabarettist, Schauspieler, Autor, diplomierter Puppenspieler – die Liste ließe sich fortsetzen.
Wie bezeichnen Sie sich selbst?
Ich bin auch Obstbauer, das kommt noch dazu – ich mache Saft. Nein, im Ernst: Ich mache viele verschiedene Dinge – ich würde es generell als Theater bezeichnen.
Sie sind in der Nähe von Köln aufgewachsen, lebten in Berlin und kamen Ende der 90er nach Jena. Wie war der Start in diesen neuen Lebensabschnitt?
Ich bin zu Silvester 1999 nach Jena gekommen und habe die Jahrtausendwende hier verbracht. Mein Auto ist beim Umzug mit dem ganzen Gepäck liegen geblieben, das war ein bisschen peinlich. Man könnte die Gesamtsituation als studentisch bezeichnen. Ich habe auch in einer WG gewohnt, in der Neugasse hinter dem Theater.
Und was für einen Eindruck hatten Sie von der Stadt?
Ich kam damals von Berlin und war dort ein bisschen unglücklich gewesen, das war mir alles viel zu viel. Jena hat mich aufgefangen und beruhigt. Es gibt hier von den jeweiligen Leuten ein oder zwei und nicht 500 – wir waren auch das einzige Theater. Man kennt die Leute und hat eine Stadtgesellschaft, die man ungefähr überschauen kann. Das fand ich gut.
Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Stadt?
Ich bin am Wochenende gerne auf Berge hoch gelaufen, die Kernberge oder den Jenzig. Der Paradiespark ist auch sehr schön, der lag gleich hinter meinem Haus. Ich habe diese kurzen Wege geschätzt, das war krass anders als in Berlin. Während meiner Zeit in Berlin war ich gerade als Künstler sehr verwirrt. Ich hatte immer geschaut, was andere machen, woran sie gerade arbeiten.
Und in Jena waren wir die einzigen, die Theater gemacht haben. Das hat mich sehr geerdet. Wir mussten beim Theater auch immer viel improvisieren, da war die Stadtgesellschaft sehr hilfreich – man konnte sich Dinge ausleihen und hat immer Hilfe bekommen. Das war alles sehr unkompliziert. Uns war wichtig, dass wir sehr gute Beziehungen zu den Leuten in der Stadt hatten.
Sie waren für einige Jahre am Theaterhaus in Jena tätig. Was nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
Ich schaue gerne zurück, das war eine gute Zeit. Wir konnten machen, was wir wollten. Wir hatten keine Abonnenten, keine Verpflichtungen, was die Auswahl der Stücke angeht – wir mussten zum Beispiel keine Klassiker spielen.
Wir hatten sogar den Auftrag von den Gesellschaftern, experimentelles Theater zu machen. Es war gewollt, dass wir Dinge ausprobieren – das war Programm.
Es war eigentlich eine recht wilde Zeit. Ich habe alles gemacht. Dramaturgie, meine Shows und bin als Schauspieler aufgetreten. Ich hatte danach fast alle Funktionen am Theater durch.
War das auch für Sie eine Premiere, all diese Funktionen auszuüben?
Ja, das hat sich notgedrungen so ergeben, weil uns innerhalb von zwei Jahren zwei Dramaturgen abhandengekommen sind. Mir hat das aber gut gefallen. Ich habe schöne Stücke auf die Bühne gebracht und bin in diese Rolle hineingewachsen. So fand ich mich natürlich schnell in einer Situation wieder, in der ich Verantwortung hatte und Entscheidungen traf. Wir waren aber auch eine sehr kleine Truppe, die Wege waren kurz und wir konnten schnell auf äußere Umstände reagieren.
2016 feierte das Theaterhaus in Jena sein 25-jähriges Jubiläum. In der ersten Spielsaison glich das Gebäude noch einer Ruine und viele der Mitarbeiter kamen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen überhaupt erst zum Theater. Nicht gerade optimale Bedingungen…
Das sehe ich anders, das ist ja genau dieser kleine Mythos von Jena. So etwas setzt Kräfte frei. Es war nicht alles da, was eigentlich sehr gut ist. In jedem kleinen Keller wurde noch eine Bühne gebaut. Ich finde diese Unvollkommenheit eher kreativitätsfördernd. Das Ruinöse hat mir gefallen und für die Kunst und die Kreativität war das gut so.
Ist es also genau diese etwas unorthodoxe Geschichte, die das Theaterhaus so besonders macht?
Für uns war es so. Ich hätte diese Tätigkeit vielleicht nicht mit 50 oder 60 gemacht, aber das Improvisieren und Ausprobieren war in der damaligen Zeit ideal für mich.
Man ist dadurch ja auch unabhängiger.
Genau, es gab nicht diese großen Strukturen. Bei der Dramaturgie in einem „normalen“ Stadttheater muss man an alle Gruppen denken. Man hat ein gewisses Portfolio abzudecken, was ja auch in Ordnung sein mag. Nicht so bei uns in Jena. Es wurde gemacht, was uns gefiel.
F: Am Theatervorplatz, im Kassablanca und im Volksbad findet jährlich das bunte Treiben der Kulturarena statt. Sie sind dort selbst schön öfter aufgetreten. Zuletzt spielten Sie bei der Kulturarena 2014 ein Konzert vor 3000 Leuten. War das auch für Sie als Routinier ein besonderes Erlebnis?
Ich habe in Jena mein Handwerk gelernt.
A: In Jena ist das immer so ein Wiederkommen. Mit dem Theatervorplatz verbindet mich auch das Sommerspektakel, das wir veranstalteten. In diesem Rahmen haben wir vor 1000 Zuschauern Theater gespielt. Ich konnte deshalb auch immer die Kulturarena umsonst sehen, wir sind nämlich einfach hinten hineingegangen. Damals haben wir die Konzerte angeschaut, inzwischen bin ich ein bisschen berühmt geworden und fülle diese Arena jetzt selbst. Das ist natürlich schon toll. Es ist schön, zurückzukommen. Ich habe in Jena mein Handwerk gelernt.
F: Was macht die Kulturarena aus?
A: Es wird eine Mixtur aus regionalen Künstlern, Kindertheater und Weltmusik präsentiert. Das Repertoire liegt irgendwo zwischen gehobener Kleinkunst, Samba und Weltmusik. Es ist von allem etwas dabei: Die Welt ist zu Gast in Jena.